Huckepack: Mit dem Bus nach Concepción

Über viele Kilometer quäle ich mich schon diese vielbefahrene Route entlang. Asphalt, klar, heißt aber auch freier Blick auf den Müll an den Straßenrändern und immer wieder ein Brise Aasgeruch in der Nase. Von Autofahrern, die auf Tuchfühlung gehen ganz zu schweigen. Auch die Landschaft – wo bitte? – ist ein Graus. Sie besteht aus Holzplantagen: Eukalyptus links, Pinien rechts und dahinter der rotbraune Boden eines Kahlschlags. Die Abwechslung besteht darin, dass der Eukalyptus auch rechts der Straße angebaut werden kann oder Parzellen schwarz sind vom „backburning“.

Da bietet mir Komoot eine Nebenroute an. Kann ich die wirklich nehmen, kann ich mich von der ‚calle principal‘, der Hauptstraße, entfernen, hier im Mapucheland? Ich frage mich durch. Ein Auskunftswilliger sagt: „Können schon, zur Zeit ist es eher friedlich. Doch die Mapuche wollen niemanden auf ihrem Land. Es kann auch sein, dass sie dich festhalten und unfreundlich, sehr unfreundlich werden, kommt darauf an, an wen du gerätst. Wenn ich dir einen Rat geben darf: Tu’s lieber nicht, bleib auf der calle principal.“

Ich fahre also weiter geradeaus. Die Straße wird zu einer vierspurigen, mautpflichtigen Autobahn. Theoretisch weniger gefährlich, solange ich auf dem Standstreifen fahre. Der Spaß ist im Minusbereich, die Autos fahren noch schneller an mir vorbei und gerade wenn’s kurvig bergauf geht, ist die Standspur nur halb so breit. Hinter der Mautstation halte ich den Finger raus. Ein Waldarbeiter nimmt mich mit. „Hier leben sie alle vom Forst.“ “ Ich wäre auch nicht freiwillig durch den Forst gefahren. Der Mapuche-Konflikt ist überall.“ Einige Kilometer weiter fährt er ab und ich suche mir ein Nachtquartier. Ich erspare mir zu berichten, wie unsäglich das im einzigen Hotel im Ort war.

Anderntags fahre ich zum Busbahnhof. Der Busfahrer, ein Bär von einem Mann, sicher ein doppelter Christof, hilft mir beim Einladen und schon geht es los. Weitere 80km durch dieselbe von der Forstwirtschaft zerstörte Landschaft auf der Autobahn auf und ab. Vorbei an holzverarbeitenden Betrieben von einer Größenordnung, die ich noch nie gesehen habe. Holz wird hier auch verstromt.

Der Bär treibt den Bus auf Höchstgeschwindigkeit. Mit Verve geht er in die Kurven. Würde der Bus auch mit den Außenrädern abheben, er hätte die Sache im Griff, denn Red Bull verleiht Flügel. Souverän kassiert er Fahrgelder während er mit Schwung in die Haltebuchten surft. Immer ein kurzes Abschiedspläuschchen führend bis der Fahrgast ausgestiegen ist.

Als die rote Bullen-Pulle leer ist, läuft unserm Helden nicht etwa die Spule leer, nein, er lässt sich anders beflügeln: Er legt Musik auf, laut und soulig. Er singt mit während er die Spur wechselt und tanzt hinterm Lenkrad, wenn’s geradeaus geht. Der Mann ist eine Wucht, er macht die Insassen glücklich! Er hat eine schõne Kopfstimme und einen gemütlichen Bariton: „I wanna be loved … by you“ Trotzdem leert sich der Bus zusehends. Als ich als einziger Fahrgast übrig bin, fragt er , wo er mich rauslassen darf. „Ich will nach Tomé.“ „Ich fahr dich auf die andre Seite, da kommst du direkt auf die Straße dahin.“

Eine Antwort zu „Huckepack: Mit dem Bus nach Concepción”.

  1. Da sagst du was, ich fahre nun schon 500 km durch zerstörte Wälder. Nur noch einzelne Perlen.

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