Malargüe
… District-Hauptstadt im Süden der Provinz Mendoza. Diese soll die größte Weinbaugegend „del mundo“(?) sein. Das Städtchen ist überschaubar, wohlgeordnet. Ob mich die vielen „Rent a Ski“-Läden hätten stutzig machen sollen?
Bei meiner Ankunft war es kalt (gar kein Ausdruck: s…kalt) dazu Nieselregen. Die Wetteraussichten versprachen, dass es auch schlechter werden könnte. Also packte ich mein Zelt nass ein und machte mich, der einladenden Worte der Zeltplatz-Verwalterin zum Trotz, auf den Weg Richtung Bandas Blancas.
Um nicht an allen Sehenswürdigkeiten vorbei zu fahren, nahm ich an an einer geologisch-paläontologischen Führung in Maqui Malal teil. Mathis, unser wortgewandter Führer, legte den Aufbau der Erde und die Beweise dafür (Fossilien und die Bedingungen für ihre Entstehung) ohne Punkt und Komma in einem iberischen Wortschwall dar, dass ich nur das grobe Ganze verstehend der Kohärenz der Darstellung Respekt zollen musste, ohne in den Genuss tieferer Einsichten zu gelangen. In den hier zu Tage liegenden, erdgeschichtlich relativ jungen Juraschichten, betrachteten wir Ammoniten in Hülle und Fülle und Muschelkalkbänke, wie sie dicht gepackter nicht sein können. Abgerundet wurde die Exkusiin durch einen Spaziergang zu einem spektakulären Wasserfall. Sieh dir dazu Bildet und Video in der Bilderstrecke Malargüe – Chas Malal an.
Eine weitere nasskalte Nacht auf 1900m im noch nassen Zelt stand mir bevor. In Turcará versüßte sie mir eine warme Dusche.
Wenn es nicht danach aussieht, du im Nebel bei 4°C losfährst und nur nach wenigen Kilometern ein bissl höher aus dem Nebel in die Sonne fährst, glaubst du den Hauptgewinn im Lotto gezogen zu haben. (Dabei kommt das ja gar nicht so selten vor.) Ich war jedenfalls in Hochstimmung. Im sehr ländlichen Bandas Blancas trocknete ich mein Zelt, während ich ein zweites Frühstück zu mir nahm. (siehe Stilleben in der erwähnten Bilderstrecke)
Im Rio Grande – Tal
Unterhalb von Bandas Blancas hat sich der „große Fluss“, der nur um diese Jahreszeit wenig Wasser führt, aber im Frühjahr „wie ein Meer“ (Leonardo) das ganze Tal ausfüllen kann, weit unter die Lavakrusten der umliegenden Vulkane in die darunterliegenden Sedimentschichten eingegraben. Ich fahre an Ölförderpumpen vorbei, bis die Asphaltdecke der Ruta 40 einer größtenteils rauhen Schotterpiste weicht.
Als ich einsehen muss, dass ich, im Gegenwind um den Profit der Talabfahrt gebracht, die Brücke „La Passarella“ über den Rio Grande nicht mehr erreichen werde, frage ich bei einem Bauern (dem zitierten Leonardo), ob ich bei ihm zelten darf.
Ich erlebe, wie einfach man leben kann. Nur mit Hühnern und Hund („mi unico compañero“) auf dem Hof, seiner Ziegenherde und seinem Pferd auf den Weiden. Leonardo besitzt nur ein Radio, weil er eh kein Fernsehsignal empfangen kann. Er hat zwar manchmal (wenn’s funktioniert) sogar Internet, aber streamen kann er damit nicht. Mein Gastgeber redet nicht viel, was mir entgegenkommt, weil ich nur die Hälfte verstehe. Er läd mich zum Tee ein und abends gibt es Nudeln mit Ei.
Der Nachbarsjunge, so um die 13 Jahre alt, geht nicht zur Schule. Ich hab gefragt, ob es denn keine Schulpflicht gäbe: Die gibt es wohl, aber bei Landkindern, denen man keine Schulbusverbindung bieten könne, sehe man da nicht so genau hin. Wenn es sich die Eltern nicht leisten können, ein Internat zu bezahlen – wer kann das schon – bleiben die Kinder zu Hause und helfen mit.
Leonardo hätt schon eine Frau, die er wollen würde und sie ihn. Sie haben es schon vier Mal probiert, dass sie auf seinen Hof kommt, aber sie erträgt die Einsamkeit mit ihm und der Arbeit nicht. Umgekehrt: „Was will ich in der Stadt (Malargüe) ohne Geld? Hier hab ich meinen Landbesitz und meine Tiere.“
Payunia am Rio Grande
Südlich von Leonardos Heim in Mechanquil wird die Landschaft zusehends schwärzer. Das liegt nicht nur an den dunklen Wolken, die eingezogen sind: Schwarze Lava überzieht alles. An der Brücke „La Pasarella“ hat sich der Rio Grande durch ein ca. 30m mächtiges Lavaflöz gebissen. Keine bizarren Formen wie in den Ebenen, alles ist hier rund geschliffen. Das so undurchdringlich wirkende Gestein offenbart hier viele Farbnuancen von tiefschwarz bis kaminrot. Die Siphons lassen erahnen wie es hier rund geht, wenn Schmelzwasser die Schlucht ausfüllt. Ich bin fasziniert von diesem Formenreichtum und kann mich kaum losreißen. Lass dich in der Bilderstrecke mitnehmen.
Als ich mich vom Rio Grande verabschieden muss – er ist auf dem Weg zum Atlantik also nach Osten und respektiert wie andre seinesgleichen keine Bergketten als Wasserscheiden – gilt es für mich südwärts Gewandten noch einen Pass zu überwinden, um in das Bergdorf Ranquil del Norte zu gelangen. Kälte und Wind stemmen sich mir entgegen. Noch vor einem Gewitter kann ich dort mein Zelt aufbauen. Der Camping Municipal ist sogar gratis, trotz warmer Dusche und WiFi, das in Argentinien genauso wenig fehlen darf wie Steckdosen zum Laden der Handys.
Naturreservat Tromen
Ich hätte der Ruta 40 um diesen imposanten Vulkan herum folgen können, entschied mich aber, angelockt durch den Status eines Provinz-Parks dafür in einer Hochebene auf 2300m direkt um seinen Fuß herumzufahren. Viele zusätzliche Höhenmeter auf Schotterwegen unterschiedlicher Qualität waren der Preis.
Der tief eingeschnittene Rio Barrancas markiert die Provinzgrenze Mendoza – Neuquén. Im nach ihm benannten Städtchen oberhalb zweigt die Ruta 37 ab. Ohne Detailinformationen, hatte ich pures Glück genau zum richtigen Zeitpunkt auf die einzige Oase auf dieser Seite des Berges zu treffen, um windgeschützt übernachten zu können. Der Campesino hier lebt auf einem völlig verwahrlosten Hof zwischen Knochen, Gehörnen, Müll und toten Tieren. „Accampar no mas donde quieres“ – „Zelte nur, woimmer du magst.“ Hier erlebte ich wunderbare Abend- und Morgenstimmungen und dazwischen einen unerhellten Sternenhimmel.
Anderntags muss ich ab und an schieben, weil gerade an den steilsten Stellen die Straße so schlecht ist, dass ich sie gegen den Wind nicht bezwingen kann. Doch der Anblick der Lavabänke und des Salzsees unterhalb dieses bedrohlich wirkenden Berges haben die Mühe gelohnt. Ich fürchte die letzten Bilder dieses Albums geben nur einen ungefähren Eindruck der Urgewalten wieder, die hier förmlich zu Greifen sind.
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