Als ich mit meinem hart erkämpften Ausgangsstempel in Visviri aufkreuzte, zeigte sich der chilenische Grenzbeamte „not amuzed“.
Ich war geschockt, hatte er mir doch am Donnerstag erklärt, ich bräuchte eine peruanischen Ausgangsstempel, stellte er jetzt das Problem nun völlig anders dar. Ich sei ja nicht aus Bolivien ausgereist, aus dem ich ja kommen müsse, wenn ich an einen bolivianisch-chilenischen Grenzposten käme, folglich könne ich nicht einreisen. Der Bolivianer auf der anderen Seite der Straße war der Meinung, er könne unter den Ausgangsstempel einer peruanisch-chilenischen Grenzstation unmöglich eine Eingangsstempel nach Bolivien setzen. Der Chilene musste verstanden haben, dass seine Weigerung auf tönernen Füßen stand, denn ich zeigte ihm auf meinem Handy, dass er sehr wohl eine gemeinsame Grenze auch mit Peru hat. Auf deren Überfahren reagierte er mit Empörung, das sei eine Grenzverletzung! Naja und die „Meinung“ (= meine Informationsquelle) eines chilenischen Kollegen, der peruanische Ausgangsstempel sei u.a. auch in Visviri gültig, die nahm er mir einfach nicht ab. Auch der Brückenschlag einer chilenischen Vermittlerin konnte da nichts ausrichten, denn ihr Kompromissvorschlag der Bolivianer solle mir Ein- und Ausgangsstempel verpassen, damit ich aus Bolivien kommend legal nach Chile einreisen kann, scheiterte vermutlich daran, dass ich nicht erkannte, dass hinter diesem Vorschlag die Überzeugung stand, Bolivianer seien bestechlich. Das Absperren der Tür seines Büros erkannte ich nicht als Aufforderung ihn zu schmieren. Das Zeitfenster für diese Option war somit futsch!
Nämliche Vermittlerin machte mir dann Hoffnung an einem Sonntag, an dem wie jeden Sonntag in Tripartito eine Fiesta stattfindet, dort einen Grenzpolizisten anzutreffen, der mir evtl einen Stempel oder mindestens einen Rat geben könne. Letztlich sei er für meinen Stempel zuständig. Das war zwar eine abenteuerliche Konstruktion, doch ich folgte aus schierer Verzweiflung ihrer Idee.
In Tripartito war tatsächlich ein bolivianischer Grenzpolizist. Der sah die Lage sehr entspannt. Wenn es in der Grenzstadt Charaña, wider seines Erwartens, kein Migationsamt geben sollte, solle ich einfach nach Sajama weiterfahren, da gäbe es bestimmt eines.
Mit nichts als dem Prinzip Hoffnung im Gepäck, fuhr ich, nach einer Nacht in einer Hirtenhütte südlich von Tripartito, nach Charaña. Dort zeigte sich mir eine viel belebtere Stadt, mit Menschen auf den Straßen und sogar Musikkapellen die über die Plaza del Armas zogen.

Doch auch Fanny, die Bügermeistergehilfin, des Englischen mächtig, wusste nichts von einem Migrationsamt. Sie führte mich zu einer Frau, die mir Dollars in Bolivianos tauschte, telefonierte aber vermutlich auch – in ihrem Bemühen mir zu helfen – mit dem bolivianischen Grenzer in Visviri, genau dem, der mir die Einreise verweigert hatte.
Nachdem ich eine prima Lamasuppe verspeist hatte, machte ich mich auf den Weiterweg: Illegal … sch…egal.
Die Fahrt war kein Vergnügen der reinen Art. Erwies sich doch die Straße weiterhin als eine üble Wellblechpiste, wo du dich durchrütteln lassen musst, weil es keine Umfahrungsmöglichkeiten gibt.
Das Leiden währte drei Stunden. Hinein ins nächste Flußtal und wieder heraus, mit Alpakas als einzigen „Weggefährten“. Der Sajama vor mir wurde kaum größer, das Ende der gleichförmigen Landschaft kaum abzusehen. Als ich gerade diesem Einerlei zu entkommen schien, überholte mich ein PKW mit hoher Geschwindigkeit. Ich rätselte noch, ob ich ihm ins Flussbett folgen oder oben auf der Kante entlang fahren sollte, folgte ihm dann aber ins Grenzflusstal. Kurz darauf kam das Auto zurück, „mein“ Grenzer stieg aus und verlangte wütend meinen Pass…
100 Bolivianos kostete mich der Rücktransport nach Chiraña und von dort fuhr ich mit dem Zollbeamten, der sein Rad dort stehen hatte nach Visviri.
Dort fand er dann doch eine legale Lösung für mich. Sie kostete mich 2 Stunden und und 50 US$. Immer wieder sagte er, er werde jetzt stempeln. „Ahora seglio!“ Er kam mir vor wie der Großwildjäger Mr. Flechter aus Janoschs „Mäuse-Sheriff“, der im Angesicht des Löwen zu Ankündigungen ansetzt, dass er nun schießen werde, ohne Anstalten dazu zu machen. Der Bolivianer zog sich Gummihandschuhe an, wechselte seine Maske und telefonierte mit seinen Vorgesetzten und der Nachmittag verflog, nein, er ging dahin.
Als ich endlich mit den Stempeln beim Chilenen aufkreuzte, umarmte der mich wie einen alten Bekannten. Sein Part war schnell getan, nur die Einreiseprozedur sollte sich auch noch eine Stunde hinziehen.
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