Pionier sein erfordert Geduld, Frustrationstoleranz und die Bereitschaft auch mal umzudrehen, wenn die Realität sich anders erweist. Gestern hatte ich weder noch, noch. In Tripartito, dem Grenzort im Dreiländereck Peru – Chile – Bolivien, wird an einer Zollstation gebaut, damit die erst noch anzusiendelnde Gemeinde dann auch ihrem Namen gerecht werden kann. Im Moment ist dort niemand außer Bauarbeiter und ein paar Polizisten. Was letztere dort tun ist mir schleierhaft, denn illegale Grenzübertritte verhindern sie nicht und die Vollmacht einen Austrittsstempel in meinen Pass zu hauen, besitzen sie auch nicht. Vielleicht waren sie nur für mich bestellt worden, um mich aufzuklären, dass ich diesen Stempel nur entweder im ca.200km entfernten, in der Küstenwüste gelegenen Tacna oder im ca.300km entfernten Desaguadero am Titicacasee bekommen kann.
Von letzterem war ich in 4 Tagesetappen ins Dreiländereck gefahren. Die bisher einsamsten Kilometer. Meine Frustrationstoleranz wurde beim Schieben durch Sand und Kies getestet und beim Befahren einer 10m breiten, brettharten Wellblechpiste an ihre Grenzen geführt.
Die letzten beiden Tage wusste ich wofür ich diese Strapazen auf mich genommen hatte. Die bisher schönsten Radkilometer führten mich von einer in die nächste Faszination.
Noch wusste ich nicht, dass diese Polizisten in Tripartito nur für mich da waren. Ich fuhr trotzdem hinüber nach Bolivien. Weniger um eine neue Dimension schlechter Straße kennenzulernen, sondern aus der kindlichen Hoffnung, das, im 14km entfernten Charaña versprochene officina immigration würde mir, auch ohne „leave“ seitens Peru, ein Visum ausstellen.
Ein Checkpost vor der Stadt winkte mich durch, doch nur wenig später musste ich feststellen, dass die aus der Ferne groß anmutende Häuseransammlung, winddurchpeitscht und beinah menschenleer war. Im Gemeindeamt sagte man mir, ich müsse an die Grenze zu Chile. Ich war inzwischen ausgehungert und so nahmen mir die wenigen Kilometer auf einer ebenen Piste, die ich teilweise nicht fahren konnte, die letzten Kräfte, nur um festzustellen, dass es an der Grenze keine bolivianische Station gibt. Die Chilenen auf der andren Seite, freundlich aber bestimmt, bedeuteten mir, ich müsse heute noch aus Chile, auf deren Staatsgebiet ich mich inzwischen befand, ausreisen. Zum Glück gab es von dort eine asphaltierte Straße Richtung Norden, der ich im Abendlicht folgen konnte.

Die Zeltplatzsuche gestaltete sich schwierig. Ein heftiger, kalter Wind wehte über die an ebenen Plätzen nicht arme Hochfläche. Als die Straße nach Tripartito abbog, fuhr ich lieber geradeaus nach Ancomarca weiter, wo mir die Polizisten von Tripartito Infrastruktur schmackhaft hatten machen wollen. In einem Flusstal, dass sich wenig später auftat sah ich ein paar Häuser und steuerte die an, um um Erlaubnis zu bitten im Windschatten der Häuser zu campieren.
Anderntags, trotz frühen Aufbruchs ohne Frühstück, brauchte ich eine Stunde für die paar Kilometer nach Ancomarca, weil ich dauernd fotographieren musste. Höhepunkt waren Nandus, die ich aufscheuchte und die in Fluchtdistanz stehen blieben, aber auch Vikuñas bekam ich zu Gesicht und landschaftliche Augenweiden. In Ancomarca erstand ich ein „Busticket“ nach Tacna, freute mich aber zu früh, als der Kleinbus, statt um 13Uhr schon um 11:15 losfuhr. Schon im nächsten, ebenso kleinen Ort, „Alto Perú“, machte er eine mehr als zweistündige Pause, wurde aber tatsächlich voll. Bevor es in Ancomarca losging, wurde ich noch Zeuge eines besonderen Slapsticks: Der Fahrer wollte mich erst gar nicht mitnehmen, indem er behauptete, für den Transport von Ausländern eine spezielle Lizenz haben zu müssen, ohne die er 60 Soles Strafe zahlen müsse. Wie gerufen kamen „meine“ „Grenzpolizisten“ vorbei, erklärten ihm meine ganze Geschichte und dementierten seine Behauptung.

Sie wahrten 200m Distanz zu mir.
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