Linde ist auf dem Heimflug. Ich bin ihr so dankbar, dass sie – ohne zu murren – so einiges Gepäck von mir mit nach Hause genommen hat: 24 Kilogramm brachte ihr Rucksack am Schluss auf die Waage! Auch unsre Mitbringsel steuerten zum Übergepäck bei. Zum Glück sind Peruaner nicht kleinlich (1kg über dem Freigepäck juckte sie nicht) und Linde ist bärenstark (sie trägt fast 3/4 ihres Körpergewichts, wenn man ihr Bordgepäck und die schwer beladene Handtasche mit einrechnet).
Sobald sie weg war kämpfte ich aktiv dagegen an, nun in ein Loch zu fallen. Gleich auf dem Rückweg vom Flughafen kaufte ein Nachtbus-Ticket nach Puno am Titicacasee: Nur möglichst bald nach Bolivien ausreisen und ein neues Reisekapitel aufschlagen! Zusätzlichen Auftrieb verlieh mir unverhofft, bei der Streckenplanung einen alten Reisegefährten wiedergefunden zu haben: Cass Gilbert, mit dem ich 2007 durch Südchina geradelt bin, beschreibt für bikepacking.com Radreiserouten abseits der ausgetretenen Pfade. Nur eine Stunde später musste ich allerdings feststellen, dass ich zu Cassens Start in Putre/Chile keinen Anschluss finde, weil es nirgends nördlich dieser Stadt einen Grenzübergang gibt, ich also zu weit in den Westen ausholen müsste, bis nach Tacna, das auf nur noch 567m Meereshöhe liegt. Ob nun die 68 US$ für die Mitgliedschaft bei bikepacking.com völlig für die Katz waren, wird sich noch weisen.
Somit vertraue ich mich nun doch wieder „komoot“ an, ohne Komoot wirklich zu vertrauen.
Ihr Algorithmus, für die Routenplanung fürs „Gravelbike“, hat nämlich einige Flöhe im Pelz:
- Komoot vermeidet Städte: In Europa eine gute Idee, doch sogar dort muss man sich verpflegen können. In Peru ist die Siedlungsdichte so gering, dass die größeren Siedlungen angesteuert werden müssen!
- Komoot umfährt Städte in der Peripherie. Schon in Europa lernst du so nicht überall den Speckgürtel einer Stadt kennen. Hierzulande führt die Umgehung durch sozial prekäre Viertel (Slums), in denen Hunderotten auf staubigen Straßen, die oft höllisch ausgefahren sind, dem Radler zusetzen. Das gleicht einem Spießroutenlauf!
- Komoot kürzt ab. Klingt super, doch nimmt die App dafür jede Steilheit der Strecke in Kauf. Zumindest, wenn die Streckenplanung eine Mehrtagesroute ist, müsste Komoot das unterlassen, weil davon auszugehen ist, dass mit Gepäck gefahren wird!
- Die erwähnte Funktion, mit der man eine Streckenplanung in mehrere Tagesetappen aufteilen kann, ist Premium-Mitgliedern vorbehalten. Trotzdem ist sie dürftig ausgestattet, denn sie zerhackstückt die Gesamtstrecke nur in mutmaßlich zeitlich gleich große Teile. Damit liegen die Übernachtungspunkte willkürlich irgendwo. Bisher hab ich sie zwei Mal übernommen, eine schlechte Quote!
Fazit: Auf meiner Weiterreise werde ich Pionierarbeit leisten müssen, denn ich habe weder Infos zu Straßenzuständen noch dazu, welche der Dörfer auf dem Weg einen Laden haben. Ich habe deshalb Vorräte eingekauft, die ich nur dann verspeise, wenn ich keine Versorgungsstationen finde. Noch schwerer als das solchermaßen entstandene Zusatzgewicht wiegt, dass ich zur Wasserversorgung nichts weiß und wohl nur am Weg erfragen kann, soweit ich auskunftsfreudigen Menschen begegne, ob und wo ich an Trinkwasser komme. Da hilft ersteinmal nur Zuversicht.
Meine grobe vorläufige Planung sieht nun so aus:
- Nachtbus nach Puno
- 2-3 Tage durch den äußerst strukturschwachen Süden Perus bis zur bolivianischen Grenze bei Ladislao Cabrera. Nur am ersten Tag fahre ich unter der 4000m-Grenze.
- Weiter zum höchsten Berg Boliviens, dem einzeln auf dem Altiplano stehenden Vulkan Sajama. Besteigen werde ich ihn nicht, dazu ist es wohl jahreszeitlich zu spät. Thermalbad direkt unter dem über 6500m hohen Berg.
- Weiterfahrt u.a durch den Salar Coipasa zum Vulkan Tunupa (5432m), am Rande des größten Salzsees der Erde Salar Uyuni. Ich will sowohl den Vulcan besteigen, als auch den Salar durchqueren. Bis zur Insel Inca Huasi mitten im Salar Uyuni rechne ich mit 4-5 Tagen von Sajama.
- In weiteren 6 Tagen durchquere ich den äußersten Süden Boliviens, der gerne von Jeeptouren durchfahren wird und durch eine sehr trockene, vulkanisch aktive Gegend mit vielen Nationalparks u.a. das Reserva National de Fauna Andina Eduardo Avaroa führt. Über den Grenzübergang bei Hito Cajon erreiche ich die Touristenmetropole San Pedro de Atacama.
Komoot wollte mich vorbei an Geysiren auf der chilenischen Seite führen, überquert aber dafür die – soweit ich sehen kann – grüne Grenze. Wenn sich rausstellen sollte, dass das geht, stelle ich alle Lästereien gegen Komoot ein.
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