Nun lümmle ich hier in Ahuayro, einem mittelgroßen Nest an der „Longitudinal de la Sierra Sur“ (auch Straßennamen dürfen lang und klangvoll sein), den zweiten Tag im Bett und freue mich über jedes Geräusch, das meine Gedärme nicht von sich geben. Heute hatten sie für mich entschieden erstmal nicht weiter zu wollen. Damit ist der Puffer in meinem Zeitplan schon aufgebraucht. Morgen zur Wiedereingewöhnung 1400Hm und dann muss ich durchziehen, auf Bergetappen, die wesentlich größere Höhenunterschiede überwinden: Achterbahn eben.
Hierher hatte ich mich noch über die theoretisch 3m-breite Ministraße gewundert, die mich auf 4095m hochleitete. Immerhin verbindet sie zwei der bedeutendsten Städte des Landes miteinander. „Theoretisch“, weil die befahrbare Breite der Straße auf weiten Strecken deutlich unter 3m lag und ob der Tiefe und Dichte der zu umfahrenden Schlaglöcher auch den Fahrradfahrer zum Abbremsen unter Schrittgeschwindigkeit zwang. Auf die Dauer eine mühselige Fahrerei mit wenig Aufmerksamkeit für die Umgebung.



So war der Jubel groß (nur von der Kälte und einer Kriegserklärung Montezumas getrübt), als ich auf dem Scheitelpunkt auf die Longitidinal traf, mit 1a-Asphalt, trotzdem wenig Verkehr und vielen Kurven, die mich fast 2100 Hm tiefer schwelgen ließen.



























Ich spüre wieder Kraft in den Beinen, behalte mein Frühstück (Tortilla con Verdura, d.h. Gemüseomlette auf Reis) und habe auch wieder Lust auf die Fortbewegung per Rad. Mental ist es schon eine Herausforderung mehrere Tage in Folge ausschließlich bergauf zu fahren. Doch nach den beiden Nächten auf 2040m wäre es absurd gewesen, kaum dem Krankenlager entstiegen, mehr als 2200 Höhemmeter zum nächsten Pass auf einem Sitz in Angriff zu nehmen.
Ich nahm also Quartier in Uripa, der letzten Stadt vor dem Pass auf 3200m, schön auf der Hälfte und wurde mit Blütenpracht und einem freien Nachmittag belohnt:
Berg und Tal
Der nächste Pass führt über 4261m. Kein Grund zum Feiern hierzulande. Weder ein Schild noch eine Girlande weisen darauf hin, dass du es geschafft hast. Die Landschaft ist eher unspektakulär. Überall abgebrannte Hügel. Was das soll, ist mir schleierhaft! Den Vikunias die letzten Lebensräume im ungenutzten Weideland entziehen? Jedenfalls sieht man die grazilen Tier hier nicht. Ich erfreue mich daran bergwärts mittlere Gänge treten zu können, doch bei der Abfahrt ist Schluss mit lustig: Die dunklen Wolken öffnen ihre Schleusen und was ich eben noch als kleinen Schauer abtun wollte – und dadurch die Chance verpasste mich gegen die Wasser zu wappnen – entwickelt sich zu einem intensiven Regenguss mit Hageleinlagen. Bis ich einen Unterstellplatz ansteuern kann, bin ich durchtränkt bis auf die Unterwäsche.


Der Tag wurde nicht mehr mein Freund. Zwar trockneten die Kleider schnell auf 2800m auf die ich abfuhr, doch ich ließ mich mal wieder verleiten der Gravelroute-Empfehlung von Komoot nachzufahren. Die führte durch die Ränder des dichtbesiedelten Tals von Andahuaylas durch ärmliche, staubige und vermüllte Gegenden und sammelte außerdem noch Zusatzhöhenmeter ein. Ich entschied mich darum, mir selbst eine Alternativroute neben der vielbefahrenen Straße zu suchen, zumal der Komoottrek dieser Tagesetappe mal wieder im besiedelten nirgendwo endete, wo garantiert keine Hospedaje zu finden ist, aber eben auch an Zelten nicht zu denken ist.
Um der eintönigen Landschaft zu entgehen, plante ich einen kleinen Umweg über die Laguna Pacucha. Eine weise Entscheidung, die mir die vielleicht schönste Etappe der gesamten Tour am nächsten Tag verschaffen sollte:






















Von meinem Zeltplatz bei Sotapata, an dem mir morgentlicher Nebel ein patschnasses Zelt bescheerte, fuhr ich fast 2000 Höhenmeter ab, überquerte den Rio Pachapacha und quälte mich durch die hässliche Stadt Abancay 1000 Höhenmeter höher, bis die Straße sich durch steile Eukalyptuswälder hochwindend, endlich wieder Radlgenuss aufkommen ließ.

Nach einer Nacht auf 3750m neben einer Art Alm, deren Hunde mit dem Besitzer offenbar nicht eins waren, dass ich da übernachten darf, überfuhr ich ein letztes Mal die 4000m Marke, um mich in das atemberaubende Tal des Rio Apurimac hinunter zu stürzen. Die Kulisse schneegekrönter Berge, die Tiefblicke auf den Fluss und die überbordenden Obststände am Straßenrand machten die Abfahrt zu einem Fest.







Die Anden sind bei all ihrer Höhe keine Wasserscheide. Beim Anblick des tief eingeschnittenen Rio Apurimac, gerät diese Schulwrisheit zur Faszination. Auf 1900 Meter Meereshöhe habe ich ihn überquert. Seine Wasser ergießen sich in den Amazonas und gelangen so schließlich in den Atlantik, wenn sie nicht vorher auf irgendwelchen Feldern versickern. In Gluthitze pedaliere ich entlang seinem jenseitigen Ufer bis die Straße in eine Seitental steiler werdend nach Limatambo hinauf führt.




Nur noch eine Tagesetappe trennt mich von Cuzco. Ich winde mich noch einmal 1100 Höhenmeter höher, bis ich ohne große Höhenunterschiede zu überwinden, durch eine riesige Pfanne, an derem Rand die Kleinstadt Ata liegt, die letzten 50km an mein Ziel durchdrücke.

Was für wunderschöne Ziegen! Bring mir eine mit. Darf dann mit mir durch die Fränkische radeln. 🙂