Abenteuer Huazcaran

Nachdem wir „unseren“ Berg von (fast) allen Seiten beäugt hatten, ließen wir uns nach einem Organisationstag in Huaraz zum Ausgangspunkt Musho auf 3000m fahren. 5 Tage haben wir für die Besteigung des höchsten Bergs Perus veranschlagt. Entsprechend schwer sind unsere Rucksäcke. Zwei Esel helfen uns auf den ersten 1200 Höhenmetern zum Basislager, nichtmal einem Drittel der zu überwindenden 3770 Höhenmeter auf den Gipfel Huazcaran Sur.

Zum CAMPAMENTO Base und weiter zum Refugio Huazcaran

Zum ersten Höhenlager: Campamento Uno

Nach der Übererfüllung unsres Tagesziels gestern und einer guten Nacht im Hüttla auf Monte-Rosa-Höhe, brechen wir erst um 9 Uhr auf. Heute sind nur 700 Hm zu überwinden, bevor wir unser Zelt auf dem Gletscher aufstellen. Zunächst beflügelt uns noch die Aussicht auf mit jedem Lager schwindende Rucksacklast, doch merken wir von den zwei Essenrationen weniger (je einem verspeisten und einem für den Rückweg deponierten Abendessen und Frühstück) dann doch nichts.

Wieder geht es über Gletscherschliff nach oben, bis wir den Gletscherrand erreichen. Mit Steigeisen erreichen wir bald den Firn, der aber von Büßerschnee beherrscht wird, über den zu gehen mühsam ist. Auf 5323m stellen wir am Rand einer Spalte unser Zelt auf.

Aufs Eis: Der Rucksack ist nicht photogeshopt

Doch, oh weh! Eine Öse, in die das Gestänge gesteckt wird, ist offenbar beim letzten Abbau kaputt gegangen. Wir müssen improvisieren um das Zelt stabil zu bekommen. Wir merken die Höhe gewaltig. Jede Bewegung fühlt sich widerständig an. Am Nachmittag erkunden wir noch den Weg in die Garganta, den Eisfall zum Sattel zwischen Nord- und Südgipfel auf 6000m, den es morgen zum Teil in Dunkelheit zu überwinden gilt.


Durch die Garganta ins zweite Höhenlager

Die Nacht war – obwohl nicht zu kalt und um 3 Uhr zu Ende – hart, denn wir haben beide nur geruht, aber keinen Schlaf gefunden. Das Abbauen und Verstauen des Zeltes kostet Kraft. Stefan hat das Seil schon vorbereitet. Obwohl wir nun einen Teil unsrer Ausrüstung am Gurt tragen, fühlen sich die Rucksäcke kaum leichter an.

Schon auf den ersten Metern merke ich, „dassi kan Fuel hab“. Kein Schritt macht sich von allein. Stefan geht voran entlang unserer Spur von gestern. Deren Fortsetzung auf teilweise schwer auszumachenden älteren Fußstapfen überschreitet hohlen Schnee, aberwitzige Gletscherbrücken und filigrane Eisformationen. Deren Begehung gestaltete sich so spannend, dass nicht einmal mehr Stefan auf den Auslöser drückte.

Er fragt mich nach einer Weile, ob ich umkehren will, doch ich winke ab: „Ich quäl mich schon durch.“

Als die wildesten Spaltenzonen schon hinter uns liegen, ist eine erste Steilpassage zu überwinden.

Bei anbrechendendem Tageslicht, fordert mir eine nahezu senkrechte Stufe das Letzte ab. Stefans deutlich größere Routine in solchem Gelände zahlen sich hier aus. Er setzt eine Eisschraube und wir sichern dieses Stück.

Der Eisbalkon, auf dem wir die Westwand des Südgipfels queren müssen, um in den Sattel zwischen den Gipfeln zugelangen, wird von bedrohlichen Seraczonen überragt. Alte Lawinenabgänge überschreitend und Eisblöcke umwandernd, mühen wir uns diesen objektiv gefährlichen Teil des Aufstiegs schnell hinter uns zu bringen. Doch ich muss immer wieder stehen bleiben, um zu Atem zu kommen. Zu unserm Glück ist es so kalt, dass die unmittelbare Eisschlaggefahr nicht so groß.

Bis zum Abra, dem Sattel, ist es nicht mehr weit. Doch als wir unmittelbar unter ihm, am unteren Lagerplatz des Campamento duo ankommen, bläst dort ein so heftiger, kalter Wind, dass wir die Flucht nach oben antreten. Wir suchen einen Platz an der Sonne und müssen eine Windabdeckung finden. Große Querspalten zwingen uns zu weiten Ausweichmanövern, bis wir nahe am Nordgipfel in einer eingewehten Spalte auf 5900m einen halbwegs ebenen Platz finden, auf dem wir das Zelt aufstellen.

Endlich ein „warmes“ Plätzchen

Im Zelt, dem Wind entronnen, dösen wir eine Weile vor uns hin. Uns ist beiden klar, dass die Lethargie, die uns befallen hat, ein weiteres Symptom der Höhenkrankheit ist. Atemaussetzer, gefolgt von panikartigen Japsern nach Luft, zeigen uns den Ernst der Lage. Im Zelt wird es unangenehm heiß. Wir können uns nicht aufraffen Schnee zu schmelzen. Im Dämmerzustand beschäftigen uns die vielen Eislöcher ins Innere der Riesenspalte, auf der wir zelten. Wir sprechen über unsre Selbstbeobachtung und die am anderen miteinander und erörtern die nicht nur objektiv gefährliche Lage. Hinunter können wir nicht mehr, die Sonne scheint schon zu direkt in die Lawinenhänge. Das Zeltlager nach unten zu verlegen würde uns wenigstens etwas ruhiger machen. Die Arbeit, so viel Überwindung sie uns hier heroben kostet, würde uns helfen gegen die Höhenkrankheit anzukämpfen. Stefan-Wasser, Christof-Zelt. So machen wir‘s!

Die Hoffnung stirbt zuletzt: Werden wir uns soweit erholen, dass an ein Weitergehen zu denken ist? Auch der Weiterweg wartet im unteren Teil noch mit 65 Grad steilen Eispassagen auf, bevor man auf den Gipfelrücken kommt, auf dem noch weitere 500 Höhenmeter zu überwinden sind…

Auch in dieser Nacht schlafen wir nicht. Im Gegenteil gesellen sich bei mir nun auch noch Kopfschmerzen zu den Symptomen. Erst in den frühen Morgenstunden finden wir beide eine Mütze Schlaf. Der Abstieg ist besiegelt.

Rückzugsimpressionen – fast 3000 Höhenmeter auf einen Sitz

2 Antworten

  1. Hi ihr beiden, tolle Bilder, wünsche euch viel Glück, Gruß Conny

  2. Bin erleichtert und dankbar, dass ihr beide wieder heil unten angekommen seid 🙏

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: